Der politisch orientierungslose Politikwissenschaftler

Hallo Herr Manow, hallo Spiegel-Redaktion,

Dass sich die Kategorien links und rechts auflösen ist für die Politikwissenschaft jetzt nicht die allerneueste Nachricht, vielmehr wird das seit den 1990er Jahren beobachtet. Aber das wissen Sie, viel belesen, wie Sie sind. Was also wollen sie dann?

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Oberschichten-Abo für alle!

Bolte-Zwiebel

Achso, ich führe also ein Unterschichtendasein – gemessen an den Ansprüchen des Spiegel-Autors Niclas Seydack jedenfalls. Ich verdiene überdurchschnittlich, führe ein zufriedenes Leben und habe mehr als genug, doch Seydacks Ansprüche will und kann ich nicht erfüllen: Jeden Tag (Fleisch) essen gehen, jedes Abo dieser Welt, Black-Tiger-Garnelen, Fußmassage, Hemden in die Reinigung geben, Konzerte besuchen, verlängerte Wochenenden am Gardasee sowie regelmäßige Flugreisen. Ein Leben im Luxus! Doch, so lerne ich, so lange man nur deren Lebensstil führt, aber keinen Porsche am Tegernsee stehen hat, zählt man sich nicht zur Oberschicht. Erstaunlich, was von einem Mittelschichtsleben alles verlangt wird.

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Pröksens halbierte Spiegel-Analyse zur Klimakrise

Hallo Herr Pörksen, hallo Spiegel-Redaktion,

Vielen Dank für Ihre Analyse der Klimaberichterstattung des Spiegel! Trotz aufmerksamer Lektüre des Magazins ist mir die von Ihnen angesprochene Wende zu ernsthaftem Klimajournalismus 2019 entgangen. Tatsächlich gibt es mittlerweile (ansonsten würde man sich auch komplett lächerlich machen) aufrüttelnde Artikel über die wirklichen Verhältnisse und nicht mehr nur Verharmlosung. Letztere pflegt der Spiegel nichtsdestotrotz weiterhin fleißig. Vielleicht nicht mehr unmittelbar in Artikeln zu Klimakrise, dafür bei nahezu allen anderen Themen.

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Der rechenschwache Journalismus

Hallo Herr Thiel, hallo Spiegel-Redaktion,

Ja klar, wenn Maurizio Azzaro behauptet, wie Sie schreiben, dass der ökologische Fußabdruck der 5000 km Luxus-Kreuzfahrt nur „minimal“ sei und die Ottonormalbürger-Kreuzfahrten nach Grönland das „wirkliche Problem“, dann lasst die Reichen weiterhin zum Pol der Unzugänglichkeit cruisen. Vielleicht erinnert sich die eine oder der andere daran, dass Kreuzfahrten generell mal zum allergrößten Luxus gehörten, wie Urlaub anno dazumal überhaupt, und beides heute zum Standardprogramm der Mittelklasse zählt. Der Triggle-Down-Effekt, dessen segensreiche Wirkung die liberale Wirtschaftstheorie stets beschwört, kommt nirgends deutlicher zum Ausdruck als beim Reisen. Die Menschen reisen immer mehr, immer weiter, immer aufwendiger, immer zerstörerischer. Sehenswürdigkeiten und Natur müssen längst vor den Massen geschützt werden. Overtourism, wohin das Auge blickt.

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Wenn tumbe Männer gegen ihre Alliierten zu Felde ziehen

Sehr geehrter Herr Neukirch, hallo Spiegel-Redaktion,

Drei Sätze aus Ihrem Artikel „Ohne euren Männerhass wäre die Welt noch schönerreichen, um zu sehen, dass Sie argumentativ auf der Stelle treten, anstatt die „Verhältnisse zum Tanzen zu bringen“, wie Sie selbst beanspruchen:

„Besonders schwer haben es Jungen mit Migrationshintergrund. Sie kämpfen mit dem Rassismus von rechts und der Männerverachtung von links. Dass sie häufiger als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler die Schule abbrechen und seltener Abitur machen, ist nur folgerichtig.“

Hätten Sie diese noch einmal gelesen und kurz darüber nachgedacht, dann wäre Ihnen vielleicht aufgefallen, dass Sie hier viel mehr als nur das Problem vieler Männer beschrieben haben: Wie sieht es denn für Migrantinnen aus? Noch deutlich schlimmer! Sie (und andere Frauen) ringen oftmals mit den frauenverachtenden Milieus ihrer wie vieler anderer (auch nicht-migrantischer) Familien, dem Sexismus (und Rassismus) bis weit in die Mitte der Gesellschaft und den dessen ungeachtet anwachsenden emanzipatorischen Ansprüchen der postindustriellen Gesellschaft.

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Augenfarbe in Polizeimeldungen

Weltbürger-Flagge

Medien treten gerne mit dem Anspruch auf, der Leserschaft Informationen bieten zu wollen, sodass die sich ihre Meinung bilden können. Zuweilen gewinnt man aber den Eindruck, dass sie eher die Informationen zu den Meinungen bieten, welche sie in der Bevölkerung für vorherrschend halten. Ganz nach der Devise: Wenn sich etwa in der Bevölkerung eine gewissen Fremdenfeindlichkeit breit zu machen scheint, kann es doch nicht schlecht für den Umsatz sein, dieses Verlangen mit geneigten Informationen zu bedienen.

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Israel = Palästina: Zur Logik der Feindschaft

Friedenssymbol

Als Gelobtes Land gilt ein Landstrich, der heimgesucht wird von Terror, von Krieg, von Todesangst, Hass, Vertreibung, Aufhetzung, Unversöhnlichkeit und vielen weiteren schändlichen Attributen. Das Gelobte Land präsentiert sich als das Gegenteil dessen, was Lob verdient. Es verdichten sich dort die Auswirkungen all der schlechten Eigenschaften, die Menschen anhaften. Zwar haften sie nicht nur dort ihnen an, doch an kaum einem anderen Ort kommt ihre (selbst-)zerstörerische Kraft und die daraus resultierende fatale Ausweglosigkeit so unverhüllt zum Tragen. Offenbar völlig unfähig, friedlich zusammen zu leben, überziehen sich Menschen gegenseitig mit Feindseligkeit, Gewalt, Unterdrückung, Unbarmherzigkeit und Niedertracht – nicht nur dort, sondern überall auf der Welt. Das Gelobte Land hält uns exemplarisch in aller Deutlichkeit vor Augen, zu was Menschen fähig, mehr aber noch, zu was sie unfähig sind. Israel = Palästina: Zur Logik der Feindschaft weiterlesen

(Ent-)Gendern

Gendern

Umfassendes Gender-Symbol
Umfassendes Gender-Symbol

Die deutsche Sprache privilegiert im überlieferten Gebrauch die männliche Form und ignoriert auf diese Weise die Hälfte der Bevölkerung. Frauen sollen sich davon mit angesprochen fühlen, obwohl genau das sprachlich nicht zum Ausdruck kommt. Das generische Maskulinum ist nicht einfach nur eine etablierte Konvention, sondern es prägt unsere Vorstellungen, die uns beim Lesen und Hören durch den Kopf gehen. Wenn von Ärzten, Bürgern oder Fußballern die Rede ist, haben wir unwillkürlich Männer vor Augen (vgl. Pollatschek 2022a). Im Singular, wenn es für allgemeine Aussagen gebraucht wird, tritt die Wirkung noch stärker zu Tage:

Wenn man krank ist, soll man zum Arzt gehen.

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Sprache als „geistiger Gynocid“

– gegengelesen –

Luise F. Pusch: Das Deutsche als Männersprache.

Luise F. Pusch: Das Deutsche als Männersprache
Luise F. Pusch: Das Deutsche als Männersprache

Seit 1979 kämpft Luise Pusch gegen den „geistigen Gynocid“ (S. 30) durch die deutsche Sprache an. Frauen werden nicht einfach unsichtbar gemacht, sondern einfach nicht mitgedacht, wie Pusch an zahlreichen Beispielen demonstriert, die sie anderen Werken entnimmt, etwa:

Der Leser stelle sich einmal die eigene Person als Erneuerer der Grammatik oder des Wortschatzes vor. Vielleicht kann er in seiner nächsten Umgebung, seiner Mikrowelt, manchmal bescheidenen Erfolg erzielen. Tatsächlich war ihm der wohl schon in seiner Kindheit beschieden. Die Familie hat vielleicht etwas von seinem kindlichen Kauderwelsch in die interne Familiensprache übernommen. Als Erwachsener kann man ähnliche Miniatursiege erringen, wenn man sich mit seiner Frau … auf eine bestimmte Formulierung einigt“. (S. 28)

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