Der NDR setzt eine Moderatorin ab und viele sehen nun ihre Meinung nicht mehr abgebildet. Um mehr geht es ihnen dabei nicht. Es geht nicht um journalistische Qualität und Arbeit, nicht um haltbare Argumente und belastbare Informationen, nicht um den Abgleich mit anderen Perspektiven, sondern es geht allein darum die eigene Meinung möglichst ungetrübt wiedergegeben zu sehen. Die Sendung von Julia Ruhs war offenbar gerade deshalb so beliebt, weil sie ein Meinungsspektrum bediente, ohne mit Gegenargumenten zu belästigen.
Genau hieran krankt unsere politische und Diskussionskultur. Meinungen werden nicht als das Ergebnis von Informationen, Argumenten und Diskussionen angesehen, sondern als deren Anfang. Die eigene Meinung steht fest völlig unabhängig davon, wie gut sie sich begründen lässt. Was sie nicht bestätigt, wird oft gar nicht erst zur Kenntnis genommen oder mit vorgefertigten Vorurteilen herabgewürdigt. In den Austausch treten wir nicht, um anderen zuzhören, sondern um ihnen unsere Meinung zu geigen.
Wir halten unsere Meinung für sehr wertvoll, gleichgültig wie viel Mühe wir uns gegeben haben, sie gut zu begründen und die Argumente aller Seiten abzuwägen. Meinung gilt uns schon einfach deshalb als wertvoll, weil wir sie haben. Ihr zustande kommen kann noch so zufällig, willkürlich und uninformiert sein, wir nehmen sie wichtig.
Denn das haben uns die Sozialen Medien gelehrt. Überall lechzen Plattformen, Content Creator, Verkäufer und Politiker nach Likes, die nicht mehr erfordern als einen Klick. Wir müssen nichts verstehen, nichts begründen, nichts rechtfertigen. Wir dürfen den größten Unsinn mögen und das noch mit dem Gefühl: völlig zu recht.
Und genau so läuft es denn auch: Die Leute geben zu allem ihre Meinung und halten sie immerzu für wichtig, wie hohl sie auch sein mag. Sie kümmern sich nicht darum, sie zu hinterfragen, dafür umso mehr darum, sie durchzusetzen. Das kann nur im dumpfen Meinungskonflikt fern von jeder Argumentation enden und genau da sind wir heute.
Journalismus und Diskussionen sind nicht dazu da, uns mit Meinungen zu beliefern, die uns gefallen, sondern mit überprüfbaren Informationen und haltbaren Argumenten unabhängig davon, ob sie uns in den Kram passen. Sie sollen uns etwas an die Hand geben, woran wir unsere Meinung überprüfen können.
Denn nur weil wir einer Meinung sind, heißt das noch nicht, dass wir das zurecht sind. Viel zu viele haben aufgehört, ihre Meinungen zu hinterfragen, sondern tragen sie völlig unreflektiert nur noch vor sich her und wollen nicht von Gegenargumenten belästigt werden.
Wenn ein Blatt oder ein Sender unkritische Selbstbestätigung bedient, hat das mit Journalismus nichts zu tun und dort auch nichts zu suchen. Aufgabe wäre es Argumente anzuführen und nicht blind Meinungen zu bedienen.
Wer auf die eigene Meinung besteht, ohne sich um ihre Begründung zu kümmern, sollte sie überprüfen und nicht in alle Welt hinaus posaunen. Das gilt auch und gerade für Journalisten.